Konzepte und Verhalten im Selbstverteidigungstraining

Wenn man ein realitätsbasierendes Selbstverteidigungssystem wie Krav Maga unterrichtet, dann ist das bei den Teilnehmern immer mit bestimmten Erwartungen verknüpft.

Reale Auseinandersetzungen bedeuten, dass man sich auf eine chaotische Situation einlassen muss, in der man versucht sich, mit dem Grundwissen (und vielleicht auch mehr) so heil wie möglich wieder herauszukommen. Es geht dabei nicht darum, dem Gegner zu zeigen, wo der Frosch die Locken hat, sondern, sie/ihn davon abzuhalten (noch mehr) Schaden an einem selbst zu verursachen. Wir machen das, indem wir, wenn wir uns nicht vorher aus der Situation lösen können, dem Aggressor Schmerzen zufügen, ihn desorientierten und weiter mit Schmerzen bedienen, damit er vom Angreifer zum Verteidiger wird. Dann haben wir vielleicht eine Möglichkeit, uns endlich aus der Situation zu lösen, um uns zu entfernen und eine sichere Umgebung aufzusuchen.

Das ist immer die Ausgangssituation im Selbstverteidigungstraining, weil sie der Realität entspricht.

Wie wir oft trainieren

In den Köpfen mancher Teilnehmer sind aber eher Schlagworte wie Chaos und Schmerzen verursachen hängen geblieben. Wenn wir dann ins reine Techniktraining einsteigen, welches statisch (ohne Gegenwehr) ist und zudem langsam geübt wird, kommen bei manchen zum einen Fragen auf („Aber was ist, wenn …?“) oder der Nachhall von „Chaos“ und „Schmerzen verursachen“ (a.k.a. Intensität steigern) wird priorisiert in die Übung eingebracht. 

Hier muss dann immer schnell gebremst werden, was mitunter auch zu Frustrationen führen kann. Auch sind hier Erklärungen notwendig, was wiederum praktische Übungszeit kostet. 

Konzepte und Verhalten im Training
Kräftemessen auf dem Schulhof

Das ist normal und wichtig.

Es ist ganz normal, dass sich Nachfolgefragen stellen oder, dass man versucht, die Intensität zu steigern. Nichts ist leichter. 

Das Problem eröffnet sich aber leider sehr schnell. Die Bewegungskompetenz ist für eine solche Situation noch nicht geschaffen und es schleichen sich schnell grobe Fehler ein, was von außen auch von dem Laien gut beobachtet werden kann. Man fängt nämlich an, zu „rangeln“. Es ähnelt dann immer einer Schulhofauseinandersetzung, in der sich beide Kontrahenten ineinander verhaken und versuchen Kontrolle über die Situation zu erlangen. 

Wobei Kräfte messen auf dem Schulhof in der Regel gut ausgeht, kann es in einer öffentlichen Realsituation aber zum entscheidenden Fehler werden. Wir wollen nämlich so wenig Kontakt zum Gegner haben, wie es irgendwie geht. Kräftemessen ist hier nicht.

Und doch neigen wir selbst im kontrollierten Umgang beim Training dazu, genau in dieses Verhalten überzugehen, weil wir emotional gesteuert sind und die Rationalität (das strukturiere Üben) nach einer gewissen Zeitspanne nur noch leise im Hintergrund schmollt.

Über Kontrolle

Wenn wir in einer realen Verteidigungssituation nicht vorher gelernt haben, unseren rationalen Part (der kleiner ist, als der emotionale) mit im Vordergrund zu halten, könnten wir in eine vielleicht tödliche, mit Sicherheit aber gefährlichere Situation hineinrutschen. 

Daher sind verbale Erklärungen, mitunter auch mal einige Minuten und das stetige Zurückhalten der Teilnehmer wichtig im Training. 

Techniktraining bietet die Möglichkeit in Ruhe und mit vielen Wiederholungen Bewegungskompetenz zu erlangen, die im situativen Training später variiert wird. Die Frage „Aber was ist wenn, …?“ wird hier dann auch teilweise beantwortet. Zu 100 % aber nie, weil es zig Variationen gibt, auf die wir uns im Falle einer Selbstverteidigung einlassen und anpassen müssen. 

Dafür braucht es Wissen, wie ein Körper funktioniert, welche Wege er nehmen kann, wenn er schlagen oder treten muss und Konzepte, die einem helfen, Techniken anzupassen bzw. auszuführen. Oder auch nicht. 

Konzepte stehen auch immer über den Techniken. Techniken sind nur die Basis, die uns helfen kann, aber die Realität zeigt, wie sehr es sich vom Training unterscheiden kann. 

Aus der Praxis


Ich habe erst kürzlich von jemandem aus meinem Bekanntenkreis erfahren, der am Boden war, einen Kick zum Kopf erfolgreich geblockt hat, um dem Angreifer dann an der Hose zu packen, die dann ungewollt heruntergerutscht ist und den Angreifer dadurch zu Fall gebracht hat. 

Volltreffer. Alles richtig gemacht.

Die komplette Technik hätte aber etwas anderes diktiert. 

Konzepte sind es, die uns schützen und Erfahrungen. 

Erfahrungen zum einen aus unserer Vergangenheit, aber auch aus dem Training, wo auf einmal eine Technik an ihre Grenzen stößt, man dann innehält und einen Weg sucht, der auf Konzepten beruht und nicht auf cooles Aussehen.

Daher sind Verhalten und Konzepte im Training die Schlüsselelemente. Habt Geduld und seid relaxed im Training. Es geht ums Lernen und nicht ums Kämpfen.