Wahrnehmung

Ich habe mir in dieser Woche wirklich den Mund fusselig geredet im Krav Maga Unterricht.

Ab und zu mache ich das (und ja, ich erkläre prinzipiell viel), weil es notwendig ist. 

Um uns selbst zu verteidigen, müssen wir aus meiner Sicht erkennen, wie Menschen sich verhalten, sie interagieren und per se sind. Grundsätzlich müssen wir erkennen, wie Prädatoren arbeiten, da es nur so möglich ist, sich präventiv aus Gewaltausbrüchen herauszuhalten. 

Und, seien wir ehrlich, selbst das ist nicht immer möglich. Aber wir sind Menschen und haben in allen Bereichen immer ein Restrisiko. Wir tun halt immer das, was möglich ist. Zumindest sollte man das.

Es gibt eine Menge an äußerlichen und persönlichen Gründen, warum man nicht immer aufmerksam ist und seine Wahrnehmung versagt. 

Es können äußerliche Dinge wie Ablenkung durch Smartphones oder Musik sein oder persönliche Reaktionen auf Stress, Reizüberflutung und auch Emotionen. 

Natürlich kommen hier noch andere biografische Ereignisse etc. zum Tragen, aber hier muss jeder einmal selbst in sich gehen und erkennen, woran es liegen kann, dass ihre/seine Aufmerksamkeit/Wahrnehmung nach außen nicht richtig funktioniert. 

Aber was meine ich jetzt eigentlich?

Das Kernelement von Selbstverteidigungstraining sind nicht die Techniken. Es ist unsere Wahrnehmung und Achtsamkeit nach außen und innen, wenn wir leben. 

Und wir achten auf vieles. Wir achten darauf, nicht zu stolpern, wenn wir auf unebenen Boden gehen und wir achten auf unser Äußeres, damit wir uns und anderen gefallen. Wir achten darauf, möglichst gesund zu essen (geht meistens aber schief) und wir achten darauf, eine Work-Life-Balance zu erreichen (was auch immer das sein soll). Wir achten darauf, genug Schlaf zu bekommen und weniger Netflix Binge-Watching zu betreiben. 

Wir achten auf vieles. 

Aber dadurch, dass wir so Reiz überflutet sind, achten wir weniger auf andere Menschen. Wir sind alle sehr egozentrisch geworden. 

Menschen sind jedoch soziale Lebewesen. 

Das bedeutet jetzt nicht, dass ich mit einem großen HALLO in die Innenstadt gehe und alle verdutzten Menschen freudig umarme, zulächele und -winke. (Was mich wohl eher zu dem Menschen mache, auf den ich gleich komme …), sondern, es geht hier um die schlichte nonverbale Botschaft, dass ich jetzt unter euch bin. 

Das bedeutet, ich gucke mich normal um, ich bewege mich normal in dem Gefüge aus Menschen und bin mit meinen Sinnen da. Ich tauche irgendwie ein und werde Teil dieses Kollektivs, dass jetzt in der Innenstadt eintaucht.

Ich bin nicht irgend so ein verhuschtes Männchen, das sich am Rand bewegt, seine Kapuze aufhat und sich ohne Rücksicht auf Verluste seinen Weg durch die Menschen bahnt.

Wenn ich mich also in der Menge bewege und Augen und Ohren offen habe, werde ich aber automatisch genau diese verhuschten Menschen erkennen, was recht einfach ist, da sie sich anders als der „Mainstream“ verhalten. Und das ist relativ leicht.

Eine feinere Beobachtung und Wahrnehmung braucht es, um potenzielle Gefahrenquellen (aka Menschen) zu erkennen, die Mechanismen sind aber dieselben. Wir können vorausschauend Menschen erkennen, die bei uns körperliche Reaktionen (das berühmte Bauchgefühl) auslösen.

Und wir sollten diese uns eigenen Reaktionen nicht ignorieren, was auch wiederum menschlich ist, da wir gar nicht fassen können, dass uns etwas geschehen kann. Wir haben schließlich nichts getan. 

Aber unsere körperlichen Reaktionen sind das Aufschreien unseres Unterbewusstseins, das wesentlich mehr Informationen verarbeitet, als unser Bewusstsein. Wir verarbeiten pro Sekunde ca. 11 Millionen Informationen, wovon nur 40 in unser Bewusstsein drängen. Der Rest wird herausgefiltert. 

Wir arbeiten größtenteils unbewusst. 

Wenn du also das nächste Mal der Meinung bist, irgendetwas stimmt nicht … reagiere.

Ignorieren ist der verkehrte Weg.