Welches Martial Art ist das Beste für Selbstverteidigung?

In Zeiten offener Kommunikationswege wie YouTube, Facebook und Co. werden wir auch mit immer mehr Meinungen und Behauptungen konfrontiert. 

Eine der im Rahmen der Martial Arts Community vielfach diskutierten Themen ist die Frage welche Martial Art wirklich die effektivste ist und da ich mich im Rahmen der Selbstverteidigung und nicht im Rahmen von Sport bewege, möchte ich diese Frage heute einmal aufgreifen.

Die Qual der Wahl

Es gibt mittlerweile unzählige Martial Art Strömungen. Alle behaupten von sich für die Selbstverteidigung da zu sein und einem zu helfen, wenn man in wirkliche Bedrängnis kommt. 

Da gibt es die traditionellen Kampfkünste, wie z.B.  Jiu-Jitsu, Karate und Kung-Fu, die z.T. wirklich alt sind und deren Kunst bis heute genutzt wird. Aus ihnen sind wiederum neue Kampfkünste entwickelt worden, wie das Hapkido (um 1910) und das Taekwondo (um 1945). 

Was man aber auch immer wieder gerne vergisst bei all den asiatischen Kampfkünsten, sind diejenigen aus dem Rest der Welt. 

Überall haben sich Menschen es zu eigen gemacht, auf ihre potenziell gefährlichen Probleme Antworten zu suchen und haben sie gefunden. In dieser Entwicklung sind viele Techniken in Vergessenheit geraten, was aber auch mit der sozialen Entwicklung zu tun hatte.

Die Welt ist eben immer sicherer geworden in vielen Teilen und einige Methoden und Techniken wurden deshalb nicht mehr für den Kampf benötigt.

Einige Künste wurden aber bewahrt und für sportliche Zwecke gebraucht, so dass im Laufe der Geschichte der Wettkampfgedanke hier Überhand nahm: Faustkampf (Griechenland), ägyptischer Stockkampf, Glima (Island) etc. 

Insgesamt ist aber zu behaupten, dass Kämpfen zum Menschsein dazu gehört, sei es im fairen Wettkampf oder um zu überleben. Auch heute noch.

Selbstverteidigung – Heute

Heute ist die Welt zumindest digital enger zusammengerückt und natürlich versuchen wir ‚unsere‘ Kampfkunst anderen aufzudrücken. Das was wir machen, dort, wo wir unseren Schweiß und Anstrengung hineinstecken, muss eben das Beste sein. Es gibt uns schließlich dieses Gefühl von Macht und Überlegenheit. Wettkampf liegt uns halt im Blut.

Dass dies alles aber nur emotional gesteuert ist und wir immer wieder auf uns selbst hineinfallen, bemerken wir gar nicht.

Trotzdem, stellen wir uns doch endlich einmal die Frage dieses Artikels: Was ist jetzt die beste Martial Art für Selbstverteidigung? Gibt es das ultimative System?

Aus meiner Sicht gibt es dafür, ihr ahnt es schon, ein klares Nein. 

Das beste Selbstverteidigungssystem ist das, was a) zu mir passt (physisch und mental) und b) was in meine soziale und gesellschaftliche Bindung hineinpasst.

Es ist so, wie seit Jahrhunderten auch. Der Mensch sucht Antworten zu Problemen. 

Und wir müssen sie suchen und offen sein für neues. 

Wir leben in einem festen gesellschaftlichen Gefüge, auf dessen Probleme wir Antworten suchen. Wir müssen uns unseren gesellschaftlichen Herausforderungen anpassen und hier die Lösung suchen. Es hilft nichts, die 600 Jahre alten Antworten aus Fernost heranzuziehen und sie dogmatisch 1:1 umzusetzen. 

Wir können aber daraus lernen. 

Der Vorteil an der digitalen Öffnung der Welt ist doch der Austausch. 

Und davon einmal abgesehen…Martial Art ist doch eine Kunstform. Und Künste entwickeln sich ständig weiter und werden neu interpretiert und individuell angepasst. Das ist der Kern von Kunst.

Folge keinem System

Wir müssen aufhören, dogmatisch an ein bestimmtes System zu glauben. Wir können es nur als Basis für unsere Entwicklung nehmen. 

Und hier beginnt die Arbeit, die viele heute scheuen. Sie wollen die einzige Antwort haben, aber es gibt viele.

Ich habe als Grundlage Krav Maga, nutze aber mittlerweile auch Techniken, Konzepte und Philosophien aus dem Jeet Kune Do, Judo und Ninjutsu. Es lässt sich wunderbar vereinen mit meiner Basis Krav Maga und gibt mir mehr Optionen und Freiräume, als mir nur auf eine Sache zu konzentrieren. 

Wenn man bedenkt, dass die meisten Übergriffe von Menschen, die eben nicht traditionell  kämpfen gelernt haben, sondern einfach nur aggressiv und emotional getriggert losschlagen, wäre es ziemlich arrogant zu denken, dass wir „Kampfkünstler“, die Antwort auf das Chaos haben, welches auf uns zurollt. Aber genau das tun wir, wenn wir engstirnig auf ‚unser‘ System beharren.

Auf Chaos kann man nur reagieren. Man hat keine Antwort darauf. 

Training wird zum einen körperlich, als auch mental geschult und ist auch gesellschaftlich gesteuert. 

Chaos allerdings ist übergeordnet und unkontrollierbar. 

Gerät man in eine Situation, in der man sich selbst verteidigen muss, bricht naturgemäß Chaos aus. Alles kann passieren. 

Das Training ist dafür da, dieses Chaos zu überleben. Mehr nicht.

Sei aufmerksam

Uns in verschiedenen Künsten umzusehen, macht daher sehr viel Sinn. Wir können herausfinden, mit welcher Art der Gewalt die Bevölkerung im Schwerpunkt zu tun gehabt hat(te) und können es entweder übernehmen oder modifizieren, um es an unsere heutige Zeit anzupassen.

Es ist wie Bruce Lee immer sagte „Kein Weg als Weg, keine Grenze als Grenze.“

Das, was Dir hilft, soll Dir helfen und alles andere musst Du vergessen.