Ich will niemandem weh tun

Ich will niemandem weh tun

Die größte Hürde in der Selbstverteidigung ist die psychologische. 

Es wird immer missverstanden, wenn wir Techniken haben möchten, die uns die Lösung in einem körperlichen Konflikt. Aber es gilt immer wieder der Satz

In der Selbstverteidigung bestimmt die Situation die Lösung, nicht die Technik.

So ist es nicht verwunderlich, dass viele Menschen sich in Selbstverteidigungskursen anmelden, die 6-12 Stunden dauern. Hier werden eine Menge an meist leichten Techniken gelernt, in der Absicht, den Teilnehmern ein Handwerkszeug mitzugeben, damit sie sich im Notfall ihrer Haut erwehren können.

Das Problem ist aber, dass die Angst, die unweigerlich mit hineinspielt in eine ernsthafte und gefährliche Situation, nie mit einbezogen wird. Und selbst wenn es angesprochen wird, hilft es den Teilnehmern wenig. 

Angst ist nicht greifbar. Es ist ein abstraktes Thema, dessen man sich zwar oberflächlich bewusst ist, aber in der Tiefe nicht versteht. Die wenigsten von uns haben jemals Todesangst verspürt, weil wir in einem großen Umfang „in Sicherheit leben“.

Hinzu kommt das Fehlen weiterer Überlegungen, wie jemanden bewusst zu schaden. 

Selbstverteidigung heißt, jemandem ernsthaften Schaden zuzufügen, wenn es zu einem Kampf kommt und alles andere (Prävention, Deeskalation etc.) versagt hat.

So ist der Wunsch, zwar Selbstverteidigung lernen zu wollen, aber niemandem körperlichen Schaden antun zu müssen, groß.

Dieser Wunsch ist zwar edel, aber leider realitätsfern.

Was zählt wirklich?

Meiner Erfahrung nach gibt es wirklich nur zwei Möglichkeiten, einen Kampf zu beenden (sobald er begonnen hat und Vermeidung keine Option ist): Du kannst versuchen, die Person physisch und mechanisch aus dem Kampf zu nehmen, z.B. einen Knochen zu brechen, zu ersticken, sie auszuschalten usw., damit sie körperlich nicht weitermachen kann, oder du kannst ihm ein solches Maß an Schmerz zufügen, dass er aufgibt.

Schmerz ist es, was ihn daran hindert, dich weiterhin anzugreifen. Ohne Schmerzen hat er keinen Grund, seinen Angriff zu stoppen (es sei denn, es gibt eine gewisse Zeitbeschränkung). 

Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich berichten, wenn Menschen anhaltenden, unerbittlichen Schmerzen ausgesetzt sind, werden sie sich oft vom Kampf zurückziehen. Es spielt keine Rolle, ob sie immer noch körperlich kampffähig sind. Sie sind dann nicht in der Lage, es emotional zu sein.

Selbstverteidigung – Psychologische Gewalt – Mobbing

Kinder, die gemobbt werden, empfinden den körperlichen Schmerz nicht als das Schlimmste, sondern das, was die Gewalt darstellt; Hass auf sie als Person. 

Die Teile des Mobbings, die oft übersehen werden, sind die fiese Namensgebung, die Gerüchte und die Quatscherei zusammen mit der sozialen Ausgrenzung und weil diese nicht zu körperlichen Schmerzen oder Verletzungen führen, neigen wir dazu, sie zu übersehen und zu ignorieren. Aber wie jedes gemobbte Kind Ihnen sagen wird, sind diese Komponenten die schmerzhaftesten. Sie stellen emotionale Gewalt dar, und dafür sind die meisten Menschen nicht bereit; der schiere Unglaube an dem, was sie ausgesetzt sind. 

Wie jetzt vorgehen?

Die meisten Straßenkämpfe enden in weniger als 5 Sekunden, nicht weil eine Partei nicht weitermachen kann, sondern weil sie es nicht will.

Wenn man Glück hat, kann man jemandem mit einem Schlag ausschalten. Man braucht aber extrem viel Glück dafür. Ein Kampf hat nämlich v.a. eines: Keine Regeln und es wohnt ein unkontrollierbares Chaos darin. Jemandem mit einem Schlag auszuschalten ist nicht unmöglich, aber kann in so eine Kategorie gesteckt werden. 

In Wirklichkeit müssen wir Gewalt mit extremer Gewalt begegnen und unserem Angreifer ein Maß an Schmerz zufügen, damit er emotional zerbröckelt. 

Nichts anderes wird ihn aufhalten. 

Wir müssen uns verabschieden von dem Wunsch, niemandem weh tun zu wollen. Machen wir es nicht, lassen wir zu, dass uns der Angriff auch psychisch mürbe werden lässt. 

Ein Kampf wird uns traumatisieren, egal ob wir „gewinnen“ oder „verlieren“. Es kommt immer nur darauf an, wie wir hinterher mit dem Trauma umgehen lernen.

Natürlich wollen wir niemandem Schaden, aber wir müssen es tun, um halbwegs heil (physisch und psychisch) aus dem Konflikt hinauszukommen. Hier braucht es ein ernsthaftes Umdenken bei jedem einzelnen.

Ich wünsche allen Lesern, dass ihnen solche Konflikte erspart bleiben. Aber nutzt diese Ruhe, um euch im Klaren zu sein, was ihr tun müsst, solltet ihr in so eine Situation hineingeraten.