Gesichter interpretieren

Wir sind nicht gut darin, Emotionen aus Gesichtsausdrücken zu lesen und/oder Gesichter zu beschreiben. Dies ist eines der Probleme, mit denen forensische Zeichner konfrontiert sind. Wenn Du z. B. einem Zeichner beschreiben müsstest, wie die Nase eines Freundes aussieht, wie würdest Du das tun?

In unserer Sprache gibt es nur wenige Worte, mit denen wir Gesichtszüge genau und vollständig beschreiben können.

Paul Eckman

Bis vor relativ kurzer Zeit glaubte man jedoch, dass der Mensch über eine angeborene, biologische Fähigkeit verfügt, Gesichtsausdrücke zu erkennen; eine Fähigkeit, die universell und kulturübergreifend ist.

Dies ist weitgehend auf die Arbeit des amerikanischen Psychologen Paul Eckman zurückzuführen, der postulierte, dass es sechs Gesichtsausdrücke gibt, die international erkannt und emotional interpretiert werden können. Diese waren: Wut, Angst, Ekel, Überraschung, Glück und Traurigkeit (siehe Abbildung unten).

Quelle: https://www.slideserve.com/emera/klassenraum-voller-gef-hle-emotionen-in-lernsituationen

Eckman verwendete diese Fotos in einer großen Studie, um nachzuweisen, dass diese Emotionen in allen Kulturen allein anhand der Gesichtsausdrücke erkannt und interpretiert werden können (die Schauspieler, die diese Emotionen inszenierten, wurden angewiesen, sie zu übertreiben).

Zu einfach betrachtet

Leider stellte sich später heraus, dass Eckmans Forschungsmethoden von Forschern auf dem Gebiet – die in seinem Auftrag arbeiteten – kompromittiert worden waren, denn es wurde festgestellt, dass die Forscher die Versuchspersonen bei der Interpretation dieser Emotionen angeleitet und gelenkt hatten.

Dies war größtenteils auf sprachliche Probleme zurückzuführen, da die Übersetzung von Emotionen von einer Sprache in eine andere stattfand.

So hatte z.B. das Wort für Wut in einer Sprache kein direktes und genaues Äquivalent im Englischen, und so mussten die Forscher „diskutieren“, was die richtige Interpretation sein sollte. Möglicherweise gab es auch ein gewisses Maß an „Bestätigungsverzerrung“, d. h. die Forscher wollten Eckmans Hypothese bestätigen – etwas, das bei Studien dieser Art leicht vorkommen kann.

Betrachten wir das große Ganze

Neuere Forschungen von Lisa Feldman Barret et al. (2010, 2011) haben gezeigt, dass die Emotionen einer Person nicht allein aus dem Gesichtsausdruck interpretiert werden, sondern sozial konstruiert sind und weitgehend auf dem Kontext der Situation basieren, in der sich die Menschen befinden.

Wir müssen also immer alles in den Kontext setzen und kombinieren. Etwas isoliert zu betrachten führt nicht zur Lösung. Es führt zu mehr Probleme.

Mehr dazu:

https://www.mpg.de/366520/forschungsSchwerpunkt1