Der Krieger im Garten

Auch mir fällt es schwer ab und zu meine Beine vom Sofa hochzubekommen, um mich mehr zu bewegen.

Natürlich.

Ich bin ja auch nur ein moderner Mensch mit all seinen Annehmlichkeiten.

Ich habe ein sicheres Haus. Ich habe genug zu essen da. Ich kann jederzeit einkaufen. Ich habe meine Familie um mich herum. Meine Existenz ist gesichert.

Ich muß nicht fürchten, daß ich heute Abend nichts zu essen habe. Ich muß den aufkommenden Sturm, die Kälte und den Regen draussen nicht fürchten. Ich mache einfach meine Fenster zu und drehe die Heizung auf.

Ich bin sicher.

Und wenn ich dann in dieser überfordernden Gemütlichkeit eingelullt bin, ist auch mein Verstand beruhigt. Mein Gehirn schaltet auf Entspannung. Seine Existenz ist schließlich gesichert.

Unser Gehirn ist süchtig nach Effizienz. Und es ist süchtig nach sich selbst.

Krieger im Garten

Kleiner Ausflug ins Gehirn

Unser Körper und unser Gehirn wollen so effizient arbeiten, wie es geht. Dabei gibt unser Gehirn den Ton an.

Für das Gehirn zählt nur das Überleben. Und da ist unser Gehirn brutal radikal in beide Richtungen.

Wenn wir erfrieren, schaltet unser Gehirn nach und nach die Blutversorgung zu unseren Extremitäten ab. Arme? Beine? Brauchen wir nicht. Kostet nur Energie, was das Gehirn als Schaltzentrale nicht mehr aufrecht erhalten kann. Also wird alles über Bord geworfen, um die eigene Existenz zu sichern. Eine Effizienz, die uns bsp. angewendet im Berufsleben aufregen würde (Unternehmen entläßt sofort 90% der Mitarbeiter, um zu überleben).

Umgekehrt ist es genauso. Uns geht es gut. Wir haben alles was wir benötigen und sogar noch mehr. Wir leben sicher. Unser Gehirn erkennt das und schaltet auf Entspannung.

Dauert diese Entspannung an, verliert das Gehirn die Übersicht. Seine Aufmerksamkeit läßt nach.

Das Gehirn als Person?

Ich schreibe vom Gehirn, als ob es eine Person ist. Ist natürlich Unsinn.

Jedoch übernimmt unser Gehirn die meisten Teile unseres Lebens für uns unbewußt.

Die meisten von uns glauben auch tatsächlich, daß sie rational denkende Menschen sind. Aber wir sind emotional denkende Menschen.

Der Fahrer unseres Lebens sind die Emotionen. Und die sind u.a. von unseren Lebensumständen.

Also ja, irgendwie macht es Sinn von unserem Gehirn als Person zu sprechen. Unsere Emotionen sind so mächtig, daß sie uns unbewußt in Dinge hinein steuern, wo unser rationaler Teil gar nicht hin will.

Es ist ungefähr so wie in dem Film Thelma&Louise, wo sie im Wagen jauchzend auf einen Abgrund zufahren. Die leise Stimme der Rationalität „Äh, wir werden sterben!“ wird sowas von überstönt von „Wir sind so frei! Wir haben so einen Spaß! Wir zeigen es denen!“, daß klar sein sollte, wer hier das sagen hat, Auch wenn es, wie im Film, den Tod mit sich bringt

Wohlfühloase

Nun sitze ich hier in meiner Wohlfühloase.

Ich muß nichts und niemanden fürchten. Meine Existenz ist auf Lebzeit gesichert.

Warum sollte ich mich jetzt aufraffen, um Gewichte zu heben, zu laufen, springen oder kriechen?

Mit welchem Ziel sollte ich jetzt mich fordern?

Nun werden der ein oder andere sagen, daß er mit dem Hund rausgeht. 4x am Tag.

Ja, mache ich auch. Aber das zählt nicht. Sobald der Hund nämlich tot ist, hörst du mit dem 4x rausgehen auf. Habe ich selbst trauriger Weise schon erlebt.

Genauso ist es mit Gartenarbeit oder dem „ich gehe zu Fuß zum Einkaufen“

Das sind alles Dinge, die Du tun mußt. Sie haben ein Ziel.

Wenn Du die Einstellung hättest, dein Hund darf im Garten sein Geschäft erledigen, würde sich aus 4x vielleicht nur noch 1x am Tag ergeben.

Und mit welchem Ziel sollte ich mich jetzt bitte bewegen?

Sport?
Warum? Da brennen die Muskeln, ich atme schwer. Ne, daß brennt beim Luftholen. Und am nächsten Tag hab ich Muskelkater! Und ich muß schließlich noch ins Büro kommen!

Der Krieger im Garten

Der Krieger im Garten

Es gibt ein chinesisches Sprichwort:

„Es ist besser ein Krieger in einem Garten zu sein, als ein Gärtner im Krieg.“

Was bedeutet das?

Es bedeutet, daß wir freundlich (Garten) sein sollen. Wir sollen uns erfreuen an unserer Umgebung, an all dem Schönen (Garten). Wohlfühlen ist ein Privileg.

Aber sei immer bereit für das Unvorhersehbare (Krieger). Sei aufmerksam. Lass nicht nach. Versinke nicht im Schönen. Lasse dich nicht einlullen.

Wenn das nämlich passiert und du bist mit Problemen konfrontiert (Krieg), denen Du eventuell nicht mehr Herr werden kannst.
Sei nicht zu sicher.

Unwohlsein als Grundeinstellung

Ich habe dieses Sprichwort vor einiger Zeit gelesen und für mich verinnerlicht.

Und ich habe mich dazu entschlossen, jeden Tag etwas Unwohlsein in mein Leben zu lassen.

Ich will mich unwohl fühlen bis zu einem gewissen Grad.

Unwohlsein macht mich Aufmerksam. Es schärft meine Sinne.

Und trotzdem erfreue ich mich meines sicheren Lebens. Ich liebe mein Leben und meine Familie. Und ich bin auch kein unfröhlicher Mensch.

Und ja, natürlich kämpfe ich mit dieser Einstellung. Es gibt Zeiten, da tendiere ich zum Gärtner zu werden. Und es kostet mich viel Kraft, wieder der Krieger zu sein, der ich bin.

Die Arbeitsweise meines Gehirns ist schon ab und zu zum kotzen. Aber auf der anderen Seite, resultiere ich ja in meinem Wesen aus meinem Gehirn. Ich kann Entscheidungen treffen gegen mein unbewußtes Handeln.

Unwohlsein ist für mich eine Grundeinstellung geworden. Sie läßt mich jeden Tag Sport machen. Manchmal mehr, manchmal weniger aber immer täglich.

Ab und zu werde ich zum Gärtner, freue mich kurz und werde wieder zum Krieger. Es ist ein ständiges hin und her. Es ist aber bewußt. Ich lasse es nicht mehr zu ein ständiger Gärtner zu sein.

Und in die Gärtnerrolle hineinschlüpfen birgt auch immer ein hohes Risiko. Allzu leicht fallen wir in Bequemlichkeiten zurück.

Wir sollten alle anfangen, Unwohlsein in unserem Leben willkommen zu heißen. Es gehört zu uns. Und dagegen anzukämpfen ist verschwendete Energie.

Laufen outdoors - dein erstes Trainngsjahr

Also, geh jetzt raus. Fordere deinen Körper jetzt heraus. Fühle dich unwohl, wenn du mit Sport beginnst und erlebe, wie du dich langsam besser fühlen wirst. Hinterher ist nämlich alles besser.

Gehe den harten Weg, nicht den bequemen. Immer.

Sei ein Krieger.

Ich habe mich gestern dann noch vom Sofa hochbewegt und bin mit meiner Tochter laufen gewesen. Das was das schönste Erlebnis am Tag, auch wenn ich erst über meinen Schatten springen mußte.
Sei ein Krieger im Garten.